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Insekten auf dem Teller: Zukunft oder Zumutung?

Insekten auf dem Teller – Ekel oder Esskultur? Frittierte Mehlwürmer .

 Lust auf einen Mehlwurm-Snack?

Frisch frittiert, mit Kräutern und Gewürzen verfeinert – knusprig, herzhaft und voller Proteine.

 

Aber ist das eine Delikatesse oder doch eher eine Mutprobe? Können Insekten eine nachhaltige Alternative zur Massentierhaltung sein? Sind sie wirklich gesünder und umweltfreundlicher als Rind, Schwein und Huhn? Und warum empfinden viele von uns allein den Gedanken daran als abstoßend?

Ekel oder Esskultur?

Unser Empfinden gegenüber bestimmten Lebensmitteln ist oft tief verwurzelt – teils biologisch, um uns vor Gefahren zu schützen, teils kulturell geprägt.

Während Krabben und Garnelen für viele ganz selbstverständlich auf dem Teller landen, wirken Mehlwürmer oder Heuschrecken befremdlich – obwohl sie sich optisch und biologisch gar nicht so sehr unterscheiden.

 

Meine ersten Begegnungen mit Insekten-Snacks

Frittierte Mehlwürmer – meine Begegnung mit Insekten-Snacks in Thailand

Mein erstes Mal mit Insekten als Snack? Das war vor rund 20 Jahren im chinesischen Viertel von Singapur. Dort probierte ich in Teig eingebackene Heuschrecken – eine Erfahrung, die mich damals mehr faszinierte als abschreckte.

Ein paar Jahre später, auf einem Markt in Ayutthaya, begegnete ich dieser ungewohnten Spezialität erneut. Diesmal gab es eine breite Auswahl: schlicht frittierte Mehlwürmer, ungewürzt und kross wie auf dem Foto, das ich noch gefunden habe, aber auch Varianten in Reispfannen oder sogar lebend, mit Gewürzen serviert. Ich wagte mich an einen frittierten Mehlwurm – doch während mein Kopfkino auf Hochtouren lief, blieb es bei einem Wurm und einer Heuschrecke. Lebende, springende Insekten direkt aus der Tüte? Das war dann doch eine Nummer zu groß für mich.

Um mich herum wurde jedoch völlig entspannt gesnackt – als wären es Pommes oder Chips. Der Verkäufer kam kaum hinterher, die kleinen Delikatessen zuzubereiten, und die thailändischen Marktbesucher amüsierten sich köstlich über meine zunehmend entgleisenden Gesichtszüge. Immer wieder wurde ich zum Probieren ermuntert. Doch offen gestanden: Genuss war das für mich nicht. Mein Grundsatz in fremden Ländern ist zwar, zumindest einmal die landestypische Küche zu kosten – was ich mit den zwei Insekten getan habe –, aber im Gemüse- und Obstbereich des Marktes fühlte ich mich dann doch deutlich wohler.

 

... über den deutschen Tellerrand geschaut

Weltweit gelten über 2000 Insektenarten als essbar – und viele davon stehen tatsächlich auf dem Speiseplan. Seit Jahrtausenden nutzen Menschen in verschiedensten Kulturen Insekten als Energie-, Protein- und Nährstoffquelle. Rund zwei Milliarden Menschen ernähren sich regelmäßig von Insekten, sei es als traditionelles Nahrungsmittel oder als proteinreiche Ergänzung.

 

Insektenessen in Asien und weltweit

In Südostasien gehört der Verzehr von Insekten seit jeher zur Esskultur. In Ländern wie Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam sind frittierte Grillen, Seidenraupen, Ameiseneier und Wasserwanzen beliebte Delikatessen. Auch in China und Japan haben bestimmte Insekten einen festen Platz in der traditionellen Küche – so landen in Japan etwa Wespenlarven und Reiswanzen auf dem Teller. Besonders für Reisende aus Europa sind das oft die ersten Begegnungen mit dieser ungewohnten Kost - wie es auch bei mir war.

 

In Papua-Neuguinea gehören Sago-Larven zur alltäglichen Ernährung und werden frisch auf Märkten angeboten. Auch in Mexiko sind Insekten fester Bestandteil der Küche – geröstete Grashüpfer, die sogenannten Chapulines, sind dort eine traditionelle Spezialität. In Afrika und Madagaskar werden vielerorts gekochte Raupen verzehrt, während in China gegrillte Skorpione als Delikatesse gelten. Selbst in Australien sind einige Ureinwohner traditionell an den Verzehr von Insekten gewöhnt.

Europa und der "neue" Trend

Während Insekten in vielen Teilen der Welt fest zur Ernährung gehören, gewinnt das Thema in Europa erst langsam an Bedeutung – vor allem in verarbeiteter Form. Insektenmehl findet zunehmend Verwendung in Proteinriegeln, Snacks und Backwaren. So gibt es mittlerweile Müsliriegel, Insektenchips und sogar Schokolade mit Insektenstückchen.

Auch wenn wir in Europa bislang nicht auf Insekten als Eiweißquelle angewiesen sind, stellt sich die Frage, ob sie angesichts globaler Ernährungsprobleme und Nachhaltigkeitsfragen eine sinnvolle Ergänzung sein könnten. Die sogenannte Entomophagie – also der Verzehr von Insekten – könnte eine spannende, nachhaltige und zugleich schmackhafte Lösung für die Zukunft sein.

 

Geschichte des Insektenessens

Maikäfersuppe – traditionelle Speise in Österreich

Insekten stehen seit der Urzeit auf dem Speiseplan des Menschen. Schon frühe Kulturen schätzten sie als leicht verfügbare Nährstoffquelle. Aristoteles pries Zikaden als Delikatesse, und Heuschrecken fanden in der Bibel Erwähnung. In Europa waren Insekten bis ins 20. Jahrhundert verbreitet – etwa in Form der Maikäfersuppe, die in alten deutschen und österreichischen Kochbüchern überliefert ist.

 

 

Was bedeutet entovegan?

  • "Ento-" kommt aus dem Griechischen „éntomon“ und bedeutet Insekt.
  • "Vegan" steht für eine pflanzenbasierte Ernährung ohne tierische Produkte – wobei Insekten in diesem Fall eine Ausnahme bilden.

Das Konzept des Entoveganismus beschreibt also eine Ernährungsweise, die hauptsächlich pflanzlich ist, aber Insekten als zusätzliche Proteinquelle nutzt. Es wird oft als nachhaltige Alternative zu herkömmlichen tierischen Eiweißquellen diskutiert.

 

Zugelassene Insektenarten in der EU

 5️⃣ „Mehlwurm – zugelassene essbare Insektenart in der EU
  • Juni 2021: Mehlkäfer (Tenebrio molitor), im Larvenstadium getrocknet (Durchführungsverordnung)
  • Februar 2022: Mehlwurm (Larven von Tenebrio molitor), gefroren/getrocknet/pulverförmig (Durchführungsverordnung)
  • Januar 2025: Mehlwurm (Larven von Tenebrio molitor), als UV-behandeltes Pulver (Durchführungsverordnung)

Dazu siehe auch meinen Artikel UV-bestrahlte Mehlwürmer in Brot und Kuchen an.

 

Wanderheuschrecke – proteinreiche Insektenquelle in der Ernährung“

 

  • November 2021: Wanderheuschrecke (Locusta migratoria), gefroren/getrocknet/pulverförmig (Durchführungsverordnung)
Hausgrille – essbares Insekt mit hohem Eiweißgehalt
  • Februar 2022: Hausgrille (Acheta domesticus), gefroren/getrocknet/pulverförmig (Durchführungsverordnung)
  • Januar 2023: Hausgrille (Acheta domesticus), teilweise entfettetes Pulver (Durchführungsverordnung)
Getreideschimmelkäfer – neue Proteinquelle auf dem EU-Markt

 

  • Januar 2023: Getreideschimmelkäfer (Alphitobius diaperinus), Buffalowurm gefroren/pastenartig/getrocknet/pulverisiert (Durchführungsverordnung)
  • Diese Zulassungen gelten für die gesamte Europäische Union, einschließlich Deutschlands. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Verwendung von Insekten in Lebensmitteln klar gekennzeichnet sein muss. Die spezifischen Kennzeichnungsvorschriften sollen sicherstellen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher informiert entscheiden können, ob sie solche Produkte konsumieren möchten.
  • Zudem können bei empfindlichen Personen allergische Reaktionen auftreten, insbesondere bei bestehenden Allergien gegen Krebstiere, Weichtiere oder Hausstaubmilben. Daher sind entsprechende Hinweise auf den Verpackungen vorgeschrieben. 

 

Ökologische Vorteile

Wachsender Proteinbedarf und Umweltprobleme
Mit dem rasanten Anstieg der Weltbevölkerung wird der Bedarf an tierischem Protein bis 2050 voraussichtlich deutlich zunehmen. Bereits jetzt trägt die Nutztierhaltung mit etwa 20 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen erheblich zur Umweltzerstörung bei. Doch im Vergleich dazu verursachen Insekten – bei gleicher Menge an Protein – bis zu 100-mal weniger Treibhausgase und bieten damit eine umweltfreundlichere Alternative.

Ressourceneffizienz
Insekten wie Mehlwürmer und Grillen benötigen um ein Vielfaches weniger Ressourcen als herkömmliche Nutztiere. Ein Mehlwurm braucht lediglich 2,2 Kilogramm Futter, um 1 Kilogramm Körpergewicht zu produzieren – Hühner benötigen dafür bereits 4,5 Kilogramm, und Rinder verschlingen ganze 25 Kilogramm Futter, um das gleiche Gewicht zu erreichen. Dieser deutliche Unterschied macht Insekten zu einer überaus ressourcenschonenden Eiweißquelle.

Ökologische Vorteile
Die Produktion von Insektenprotein ist im Vergleich zu herkömmlichem Fleisch, Fisch oder Eiern nicht nur wesentlich effizienter, sondern auch deutlich umweltfreundlicher. Sie erfordert weniger Wasser, weniger Energie und keinen massiven Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln. Insekten könnten somit ein zukunftsfähiges, nachhaltiges Lebensmittel darstellen, das hilft, die Belastungen durch industrielle Landwirtschaft zu verringern.

 

 

Die Küche der Zukunft?

Ob beim Grillen, Backen, Dörren, Gefrieren oder Frittieren – mit Insekten ist fast alles möglich. Sie können getrocknet, frisch, lebend oder als Pulver verarbeitet werden. Und das Beste: Alles ist auch glutenfrei! Eine nachhaltige und ressourcenschonende Küche, die sowohl für uns als auch für den Planeten gut ist.

  • Grillenmehl für glutenfreie Brote
  • Knuspriger Heuschrecken-Snack
  • Saftige Buffalowurm-Burger
  • Aromatisches Maikäfer-Ragout
  • Schoko-Grillen
  • Mehlwurm-Chips
  • Grillen-Flips
  • Heuschrecken-Cracker

Fazit

 

Das Essen von Insekten wird in westlichen Kulturen oft als „exotisch“ oder „merkwürdig“ wahrgenommen, was tief in sozialen Tabus und Traditionen verankert ist. Doch warum essen wir bevorzugt Tiere, die wir als „sympathisch“ empfinden, wie Hühner oder Kälber, und meiden Insekten, die uns weniger ansprechen? Wäre es nicht viel sinnvoller und nachhaltiger, gerade diese nicht so sympathischen Tiere zu konsumieren, die dazu noch ökologisch und ressourcenschonender sind?

Indem wir vermehrt Insekten als Nahrungsmittel nutzen, könnten wir nicht nur die Massentierhaltung von Hühnern, Rindern und anderen Tieren drastisch reduzieren, sondern auch einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der grausamen Praktiken in der industriellen Fleischproduktion leisten.

 

Obwohl ich persönlich noch Vorbehalte gegenüber Insekten als Nahrungsmittel habe, erkenne ich ihr enormes Potenzial für eine nachhaltigere Ernährung. Ihre positiven ökologischen Auswirkungen und der hohe Nährwert sind eindeutig. Theoretisch bin ich überzeugt, dass Insekten der Fleischersatz der Zukunft sind. Ihre ökologische Bilanz und ihr Nährwert sind beeindruckend – es ist an der Zeit, unsere Essgewohnheiten zu überdenken und mit der Zeit zu gehen.

 

Der Gedanke, welche Tiere wir essen, sollte mehr hinterfragt werden. Insekten könnten der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen und umweltbewussten Ernährung sein. Sie bieten nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch eine wertvolle Nährstoffquelle. Ich esse gelegentlich gerne einen Nordseekrabbensalat, aber der Gedanke an einen Mehlwurm-Salat löst bei mir noch Unbehagen aus – obwohl er vermutlich geschmacklich kaum anders ist.

 

Noch wesentlich sinnvoller als die Debatte darüber, welche Tiere wir essen, erscheint mir der Ansatz, eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise anzustreben. 

Deshalb sehe ich es auch als falsches Zeichen der EU an, Mehlwurmpulver in veganen Gerichten wie Brot und Nudeln zu erlauben.

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